Zur Person:


Dr. Lizcano wurde in der Region des Amazonas in Kolumbien geboren und wuchs dort auch auf. Von Anfang an liebte er Natur, Wald und Wasser. So entschied er sich für den Beruf des Tierarztes. Im Jahr 2003 erhielt er dafür die kolumbianische Zulassung. Bevor er nach Frankfurt kam und seine mobile Tierarztpraxis gründete, absolvierte er vielfältige berufliche Stationen. So arbeitete er nach erfolgreichem Abschluss des Studiums der Veterinärmedizin an der Universität von Caldas auch einige Jahre als Lehrbeauftragter an der kolumbianischen  Universität von Amazonien.


Im Jahr 2006 kam er nach Europa, wo er 2011 in Bilbao (Spanien) sein Studium erfolgreich mit dem Abschluss Cum Laude - Doctor Europeus beendete. Seit 2012 lebt er in Deutschland und sammelte zunächst als Mitarbeiter in verschiedenen Tierarztpraxen für Kleintiere in Frankfurt und Umgebung berufliche Erfahrung. Seit 2016 besitzt er die deutsche Approbationsurkunde als Tierarzt und am 2. Mai 2017 gründete er seine eigene mobile Tierarztpraxis in Frankfurt.



Das Interview:


Warum sind sie Tierarzt geworden, und wann stand ihr Entschluss fest Veterinärmedizin zu studieren?

Dr. Leandro J. Lizcano:
I
ch hatte immer Kontakt mit Tieren. Als ich Kind war, hatte ich Haustiere: Hund, Wellensittich, Katze, Fische. Zusätzlich hat mein Vater mir oft erzählt, dass mein Opa, den ich leider nicht kennengelernt habe, ein erfolgreicher Bauer war. Er ist gestorben, bevor ich geboren wurde. Sein Bauernhof wurde verkauft. Mich faszinierten immer Dokumentarfilme und Bücher über Tiere, Wildtiere, Bauernhoftiere, Haustiere. Deswegen die Entscheidung, als ich in der Mittleren Schule war, Veterinärmedizin zu studieren, war nicht so schwer. Noch zu erwähnen ist, dass mein direkter Kontakt nicht nur mit den Tieren, sondern auch sehr eng mit der Natur, Wald, Wasser… war, weil ich in der Amazonien-Region geboren und aufgewachsen bin.


Welche Erinnerung haben sie an ihr Studium?


Dr. Leandro J. Lizcano:
Viele interessante Momente. Ich war nur 17, als ich angefangen habe. Das war nicht in meiner Heimatstadt. Ich musste ganz weit weg gehen, um zu lernen. Deswegen war das für mich eine Herausforderung. Jeden Tag früh aufstehen, die Vorlesungen besuchen, Prüfungen und Aufgaben waren im Grundstudium schwer, das war die Grundlage. Danach die zweite Hälfte hat mir mehr Spaß gemacht, weil die Vorlesungen in der medizinischen Richtung fokussiert waren. Am interessantesten war das Letzte Jahr: nur reine Praxis, auf verschiedenen Gebieten.



Warum haben sie sich für eine mobile statt für eine stationäre Tierarztpraxis entschieden?

Dr. Leandro J. Lizcano:
Flexibilität und Familie. Ich kann Hausbesuche machen zu der Zeit, in der meine Kinder in Betreuung und in der Schule sind. Wenn sie am Nachmittag nach Hause kommen, treffen wir uns und genießen das Familienleben. 
Ein zweiter Grund war, dass es damals in Frankfurt keinen hundert-prozentigen mobilen Tierarzt gegeben hatte, ein Tierarzt der nach Hause kommt und die Patienten untersucht und behandelt in entspannter Umgebung. Auch dieser persönliche Kontakt mit Menschen, die Hilfe brauchen, motiviert mich. 


Im Mai 2021 besteht ihre mobile Frankfurter Tierarztpraxis seit vier Jahren. Wieviel Tiere haben sie seit Praxisgründung behandelt?

Dr. Leandro J. Lizcano:
Richtig, es sind vier Jahre, in denen ich viel Freude und tolle Momente hatte und immer noch täglich habe. Laut System habe ich mehr als drei tausend Patienten behandelt.


Was sind die wesentlichen Unterschiede zwischen einer mobilen und einer stationären Tierarztpraxis?


Dr. Leandro J. Lizcano:
Mobil bedeutet nur Hausbesuche, d.h. beim Patienten zu Hause, ohne Wartezimmer, ohne Verkehr oder unterwegs sein, in der eigenen Umgebung behandelt, zu werden. Ein großer Unterschied sind die chirurgischen Eingriffe; diese sollten meiner Meinung nach in einem sterilen OP-Zimmer gemacht werden und nicht auf dem Wohnzimmertisch.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag als mobiler Tierarzt aus?


Dr. Leandro J. Lizcano:
Erstmal früh aufstehen, Handy einschalten und die Termine durchsehen, wohin ich als nächstes fahren muss. Messages und Emails mit Terminanfragen lesen und beantworten. Dann losfahren und die Patienten besuchen. Wenn möglich eine kurze Mittagspause zu Hause und danach noch ein paar Termine bis 15:00 – 16:00 Uhr. Zwischen den Besuchen telefoniere ich, entweder um Termine zu bestätigen oder Bestellungen von Medikamenten zu machen. Wenn ich nach Hause komme, geht es nach einer Pause mit Familie gleich weiter: ich bereite die Proben für das externe Labor vor. Zum Schluss telefoniere ich mit den Besitzern, um Ergebnisse zu kommentieren und weitere Schritte zu entscheiden.


Welche besondere Herausforderung stellt die derzeitige Covid-19 Pandemie für ihre Arbeit dar?


Dr. Leandro J. Lizcano:
Gesund bleiben! Damit kann ich meine Patienten weiter besuchen. Ich besuche viele ältere Menschen und muss daher besonders aufpassen. Deswegen nehme ich alle Gesundheitsmaßnahmen sehr ernst: FFP2 Maske, regelmäßiger Selbsttest sind auch selbstverständlich.


Gibt es jahreszeitliche Unterschiede in Bezug auf die Häufigkeit von Erkrankungen der Tiere?


Dr. Leandro J. Lizcano:
Ja, bei kaltem Wetter werde ich oft wegen Atemwegserkrankungen gerufen. Wenn die Sonne scheint und es warm ist, kommen viele Ektoparasiten wie Zecken, Flöhe und Co.



Kooperieren Sie auch mit stationären Frankfurter Tierärzten?


Dr. Leandro J. Lizcano:
Ja, es gibt einige Kollegen, die meinen Kontakt weitergeben, weil die Besitzer nicht in die Praxis kommen können oder das Tier nicht transportierbar ist. Wenn der Besuch oder die Behandlung abgeschlossen ist, überweise ich immer an die Kolleginnen/Kollegen zurück, denn sie kennen das Tier und die Vorgeschichte am besten.


Welche Tierarten gehören zu Ihren Patienten und was war das exotischste Tier, dass sie jemals behandelt haben?


Dr. Leandro J. Lizcano:

Meistens Katzen und Hunde, etwas seltener Kaninchen, Meerschweinchen, Ratten und Wellensittiche. Das exotischste war ein Hausschwein, natürlich ist das nicht richtig exotisch, aber als Haustier in Frankfurt in einer Wohnung mit einem eigenen Zimmer und eigenen Spielzeugen. Das war für mich alles insgesamt außergewöhnlich. Wichtig war die Diagnose, und dann die Behandlung, nach ein paar Tagen war alles gut. Gott sei Dank.


Wie wichtig ist ihnen in Ihrem Beruf die Fort- und Weiterbildung?


Dr. Leandro J. Lizcano:
Ganz wichtig. Man muss weiter lernen, neue Info bekommen und immer für die Patienten die Kenntnisse aktualisieren. Das ist etwas, dass ich mein ganzes Leben gemacht habe und gerne weiter mache. Bevor die Pandemie gekommen ist, habe ich verschiedene Weiterbildungen gemacht und Kongresse besucht, jetzt mache ich alles Online, die Angebote sind mittlerweile groß und meistens abends. So kann ich am Abend in Ruhe neues lernen.


Was macht ihnen an ihrem Beruf besonderen Spaß?


Dr. Leandro J. Lizcano:

Kontakt mit Menschen und die Geschichten der Besitzer zu hören, wo das Tier herkommt, was die Symptome sind, was gemacht wurde… dann erzählen die Besitzer persönliche Details aus dem Alltag, die sie in der Praxis nicht sagen würden, die aber für die Diagnose oft unglaublich wichtig sind.


Als Tierbesitzer möchte man nur das Beste für seinen Liebling, welche prophylaktischen Maßnahmen empfehlen sie zum Beispiel Besitzern von Hunden oder Katzen?


Dr. Leandro J. Lizcano:

Ganz wichtig sind die Impfungen. Aber auch die Nahrung, ein Tier, dass etwas Gesundes frisst, bleibt gesund. Mit der Impfung mache ich eine Allgemeine Untersuchung, dabei kann man einiges entdecken, wie zum Beispiel Zahnkrankheiten, Ohrentzündungen, Allergien, Herzerkrankungen…
Später ab dem 7. Lebensjahr ungefähr ist ein Blutprofil wichtig, um Krankheiten in einem frühen Anfangsstadium zu entdecken.


Gibt es Tierrassen, die komplizierter zu behandeln sind als andere?


Dr. Leandro J. Lizcano:

Ich kann nicht richtig sagen, ob es die Rasse oder der Charakter ist. Bei einigen Besitzern ist ein Termin ganz entspannt und bei anderen, trotz gleicher Rasse, gib es etwas Aufregung und ich muss vorsichtiger oder geduldiger sein.


Was fällt ihnen in Bezug auf ihre Tätigkeit eher schwer oder liegt ihnen nicht so?


Dr. Leandro J. Lizcano:
Am Anfang des Projektes hatte ich mir keine Gedanken über den Verkehr gemacht. Schon nach einigen Wochen habe ich gemerkt, dass der Frankfurter Verkehr eine Herausforderung ist! Mehrmals in der Woche begegne ich ungeduldigen und aggressiven Autofahrern und gestressten Leuten auf der Straße.


Was war ihr schönster Moment während ihres Berufslebens?


Dr. Leandro J. Lizcano:

Die Verteidigung meiner Doktorarbeit. Ich habe hart gearbeitet, mich sehr gut vorbereitet… Am Ende haben die Professoren mich mit der höchsten Note bewertet. Das hat mich sehr stolz gemacht.


Warum würden sie jungen Menschen den Beruf des Tierarztes empfehlen?


Dr. Leandro J. Lizcano:

Tierarzt zu sein ist ein Lebensstil. Man hat viele Möglichkeiten und Chancen, sich selbst weiterzuentwickeln und aber auch interessante, spannende Menschen kennenzulernen. Ich bin der Meinung, wer ein Tier hat, ist gefühlvoll.


Leben in ihrer Familie ebenfalls Haustiere, wenn ja welche?


Dr. Leandro J. Lizcano:

Aktuell leider nicht. In meiner Heimat hatte ich immer Haustiere. Aber momentan bin ich knapp mit der Zeit. Drei Jungs, Gemeinde, Vetmobil.


Was gefällt ihnen besonders an Frankfurt?


Dr. Leandro J. Lizcano:

Frankfurt ist eine kosmopolitische Stadt und ihre Bewohner haben einen respektvollen Umgang miteinander. Die Vielfältigkeit von Kulturen und Sprachen, die hier wohnen ist groß. Jede Woche lerne ich Leute aus verschiedenen Ländern kennen, viele erzählen interessante Geschichten von der eigenen Heimat.


Herr Dr. Lizcano, vielen Dank für das Interview.


(Interview: Klaus Leitzbach im Rahmen der Reportage - Mit dem mobilen Tierarzt unterwegs in Frankfurt - im April 2021)